Lebensmittel
Mein Abschlussbericht zum Veganuar

Von: Ina Stenger

4. Februar 2021

(Foto: li.: Stenger, re.: Lorang)

Veganuar(y) setzt sich aus den Begriffen Vegan und Januar(y) zusammen. Es bedeutet, einen Monat lang (hier der Januar) komplett auf tierische Produkte, d.h. Fleisch, Milchprodukte, Eier, Fisch, Honig etc. zu verzichten.

Meine Gründe für die Teilnahme lagen darin, dass ich spätestens seit ich den Film „Dominion“ (kostenlos auf Youtube) gesehen habe, nicht mehr so weiterleben wollte wie bisher. Bereits nach fünf Minuten der Doku über die Nutztierindustrie brach ich fassungslos in Tränen aus. Ich habe Tiere immer geliebt, egal ob Haustiere oder Nutztiere und wenn ich in die liebevollen, freundlichen Augen einer Kuh blicke, sehe ich keinen Unterschied zu einem Labrador. Wie können wir es verantworten, dass Tiere gezüchtet werden, die in der Hölle geboren werden, in ihrem kurzen Leben unter unterirdischen Haltungsbedingungen leiden, bis sie endlich sterben dürfen? Ich möchte nicht in die Details gehen, denn die Wahrheit ist wirklich nichts für schwache Nerven. Für mich war es der schlimmste Horrorfilm, den ich je sah. Und es ist keine Fiktion, sondern real. Es sind keine Ausnahmen, die gezeigt werden. Es passiert jeden Tag, jede Sekunde, überall auf der Welt. Auch in Deutschland und auch auf dem Ländle. Eigentlich ist das schon Grund genug, um seinen Konsum und damit die Unterstützung dieses Systems zu hinterfragen.

Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich aber auch mit meinem persönlichen ökologischen Fußabdruck. Die Auswirkungen des globalen Konsums von tierischen Produkten in Verbindung mit der industriellen Futtermittelproduktion für ebendiese auf die Umwelt und das Klima sind katastrophal. „Jeder Mensch in Deutschland produziert durchschnittlich elf Tonnen Treibhausgase jährlich. Wer vegan lebe, spare jedes Jahr zwei Tonnen ein, darunter 670 Kilogramm CO2. Zwei Tonnen Treibhausgase entsprechen […] etwa acht Economy-Class-Flügen zwischen London und Berlin. […] Für die Analyse hatte das Forscherteam [rund um Ökologe Joseph Poore von der britischen Oxford-Universität] Daten von 40.000 Agrarbetrieben in 119 Ländern ausgewertet. Der Studie zufolge hat der Verzicht auf Fleisch und Milch den größten Einfluss auf unseren ökologischen Fußabdruck.“ (Quelle: https://utopia.de/vegan-treibhausgase-co2-137342/)

Durch meine Laktoseunverträglichkeit und das Befassen mit Informationen dazu konnte ich auch viel über die gesundheitlichen Vorzüge einer rein pflanzlichen, vollwertigen Ernährung lernen.

Hoch motiviert und gespannt auf meine neuen Erfahrungen startete ich also in den Veganuar. Ich kochte für die ganze Familie meine Lieblingsgerichte der veganen Küche: Linsenbolognese, Falafel, Pesto, Dips und Aufstriche, indische oder Thai-Currys, Wraps, Rolls, Bowls, exotische Suppen, vegane Semmelknödel, Rahmsoßen, Burgerpatties, „Sahne“torten und Kuchen. Da ich dieses Jahr vegane Kochkurse an regionalen Volkshochschulen anbieten werde, hatte ich viele tolle Rezepte, die ich noch einmal kochen wollte und hatte großen Spaß am Veganisieren und Verfeinern bekannter Gerichte, sowie dem Ausprobieren neuer Variationen. Langweilig wurde es mir definitiv nie! Die von mir Bekochten freuten sich über die leckere Abwechslung, auch wenn manche immer wieder Fleisch und Käse dazu aßen. Das machte mir erstaunlich wenig aus. Ich probierte mich noch einmal quer durch das ständig wachsende Sortiment an Ersatzprodukten und war erstaunt, wie gut diese mittlerweile teilweise sind. Ich fand (nach mehreren Fehlversuchen) sogar verschiedenste Käsealternativen, die mich überraschenderweise so überzeugten, dass ich nie wieder auf das tierische Äquivalent zurückgreifen möchte. Das hätte ich nie erwartet.

Was mich nicht überzeugen wollte, war der Verzicht auf Honig. Ich versuche, weitestgehend auf raffinierten Zucker zu verzichten und süße sehr gerne mit Honig. Auch schätze ich die gesundheitlichen Vorteile. Ich recherchierte online und sprach mit befreundeten Imkern und konnte einfach keinen Grund finden, warum ich auf regionalen Honig aus kleinen Imkerbetrieben verzichten sollte. Also ließ ich es nach zwei Wochen bleiben.

Was mir doch sehr fehlte, waren Frühstücks- und Spiegeleier. Wir beziehen unsere Eier aus der Solidarischen Landwirtschaft. Den Hühnern geht es dort auffällig gut aber selbst dort werden in der Einrichtung, in der die Legehennen gekauft werden, die männlichen Küken getötet. Das fand ich schon länger schlimm und bin froh, dass dazu ein Verbot per Gesetz verabschiedet wurde.

Als ich den Monat begann, war ich mir noch sicher, ich würde mir am 4. Februar eine riesige Käseplatte gönnen. Doch schon nach zwei Wochen wusste ich, ich würde zukünftig deutlich (!) weniger Käse konsumieren. Als ich dann aber einmal im Kreis der Familie Pizza (mein absolutes Lieblingsessen) bestellte, war ich von der käsefreien Lieferversion so enttäuscht, dass es mir fast Tränen in die Augen trieb. Insgeheim hatte ich nach all den positiven Erfahrungen doch gehofft, ich könnte zukünftig sogar auf Käsepizza verzichten. Als ich der Pizza am nächsten Tag dann mit selbstgemachtem veganem Pesto und veganer Creme Fraiche aus dem Supermarkt eine weitere Chance gab, war ich wieder versöhnt. Schmeckt zwar nicht wie mit Käse aber genauso lecker! Ich merkte ein weiteres Mal, dass es sich lohnt, neue Dinge mehrmals zu testen und nicht nach der ersten Enttäuschung aufzugeben. Also aufstehen und weiteressen! :-)

Kleinere Ausrutscher sind mir aber auch passiert: Ich biss in über Foodsharing gerettete Butterhörnchen und einmal steckte mir mein Sohn einen Keks in den Mund. Ein anderes Mal hielt ich es nicht aus, nicht wenigstens einen kleinen Minibissen vom überbackenen Nudelauflauf meiner Schwester zu probieren. Naja, nobody’s perfect!

Abschließend war dieser Monat für mich eine wundervolle Erfahrung. Es hat sich gelohnt, meine eingefahrenen Verhaltensweisen im Hinblick auf meinen Wertehorizont kritisch zu hinterfragen. Mein Käsekonsum stand definitiv nicht mehr im Verhältnis zu meiner Meinung über die Milchindustrie. Zum anderen habe ich etwas geschafft, von dem ich jahrelang glaubte, ich wäre nie dazu in der Lage. Ich hatte zwar Verständnis für die Beweggründe zu einer veganen Ernährung und großen Respekt vor denen, die sie leben. Ich dachte aber, dass diese so viel Disziplin und Commitment erfordert, dass ich es niemals durchhalten könnte. Falsch gedacht. Vor Allem hat es mir Spaß gemacht. Statt mich auf den Verzicht zu konzentrieren, stürzte ich mich in eine Welt voller neuer Produkte, Gerichte und Gestaltungsmöglichkeiten und wurde belohnt mit einer Leichtigkeit, die ich vorher so nicht kannte. Diese Leichtigkeit kam einmal daher, dass ich mich durch die Vollwertigkeit meiner veganen Gerichte gesünder ernährt habe als vorher, aber auch viel von meinem „reinen“ Gewissen. 

Zum aktuellen Zeitpunkt möchte ich mir für die Zukunft nichts verbieten. Ich muss niemandem etwas beweisen und wenn ich nochmal unbedingt ein Frühstücksei am Sonntagmorgen, ein Stück guten Käse oder sogar Fleisch essen möchte, dann darf das sein. Ich weiß trotzdem, dass ich den bisherigen Weg weitergehen möchte und zukünftig tierische Produkte (bis auf Honig) als Ausnahme und mit einer neuen Wertschätzung zu mir nehmen will.

Ich empfehle das Teilnehmen am Veganuar uneingeschränkt allen Menschen. Punkt. Dabei gewinnen einfach alle. Auch wenn man anschließend kein Veganer oder Vegetarier wird bzw. bleibt (mir widerstrebt dieses Schubladendenken auch ein wenig), so wird man mit Sicherheit bewusster konsumieren, was schon ein riesengroßer Schritt in die richtige Richtung ist. :-)

Ich wurde bei meiner Erfahrung begleitet von www.veganuary.com. Meldet man sich kostenlos zur Teilnahme an, erhält man einen Monat lang täglich E-Mails mit Impulsen, Informationen, Rezepten und motivierenden Texten, die einen bei der Umstellung und Umsetzung unterstützen. Gleichzeitig ist man Teil einer großen Bewegung und die Solidarität unter den Teilnehmenden motiviert zusätzlich.

Wenn du dir lokale Unterstützung auf deinem Weg in eine pflanzliche(re) Ernährung wünschst, freue ich mich, dich bei meinen veganen Kochkursen an der VHS Zweibrücken, Homburg oder KVHS Blieskastel begrüßen zu dürfen!

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